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BILD ohne Bilder: Wie man Leid zu Publicity macht

Ach Bild-Zeitung, wie du’s machst, du machst’s verkehrt!

Die Bild-Zeitung zu verprügeln, ist ein wenig wie sich über das dicke Kind mit den reichen Eltern lustig zu machen, das am Ende des Schultages in seinen Porsche steigt und uns dann doch neidisch zurücklässt. Inzwischen hat man fast das Gefühl, selbst wenn Bild die Hungerprobleme der Erde über Nacht lösen würde, kämen dennoch Unkenrufe darüber, dass alles nur eine Egokampagne war.

Heute zum Beispiel schreibt die BILD-Redaktion über die Macht des Bildes, aber da Schreiben nicht genug ist und die Leserschaft nicht beeindruckt, zeigt sie es sogar. Das heißt, sie zeigt es nicht und hat heute alle Bilder aus ihrem Medium entfernt. Es geht unter anderem um Flüchtlingsdebatten und darüber, was man zeigen darf und was nicht. Natürlich hat das in erster Linie einen PR-Wert, natürlich ist es eine riesige Werbekampagne, in die wir mit Freude reinspringen und mit Artikeln wie diesem füttern, aber natürlich, natürlich, natürlich funktioniert das inhaltlich überhaupt nicht.

Es ist kein Formexperiement, sondern eine Beweisführung, eine Argumentationslinie, die den Kritikern klar beweisen soll, dass a) die großen Bilder in der BILD keine Augenwischerei, sondern inhärent notwendig sind und b) es okay ist, alles zu zeigen. Seien es tote Menschen, noch nicht verurteilte Straftäter oder Prominente im Privatleben.

Warum die Aktion keinen Sinn ergibt? Weil sich die Form dem neuen Inhalt nicht anpasst. Statt der Bilder ist kein Text vorhanden sondern Leerstellen, an denen Bilder sein müssten. Das ist als würde man für Waffenbesitz argumentieren, indem man die Gewehre aus einem Schießstand entfernt, dann die Kunden herein holt und sagt: „Guck! Ergibt doch gar keinen Sinn, oder?!“.

In gleicher Linie könnte die FAZ für die Macht der Worte argumentieren, indem sie ihr Layout nicht ändert, aber große bunte Bilder über wichtige Textpassagen klatscht, um sie unleserlich zu machen. Das sind nur die formalen Aspekte. Die Tatsache, dass die BILD-Texte nie sonderlich lesenswert waren, sprüht noch Öl ins Feuerlein.

Zwei Tugenden kann sich die Bild-Zeitung seit jeher auf die Fahnen schreiben: ein ausgezeichnetes Marketingteam zu haben und (ganz ehrlich) sehr kluge Schreiberlinge zu besitzen, die es perfektioniert haben sehr dumm daher zu schreiben. Beides entlädt sich hier im Marketing-Clou.

Die Diskussion um Bilder ist groß und wichtig – es gibt hervorragende Bücher, Filme und Berichte, die sich mit Moral und Ethik u.a. von Kriegsfotographie auseinandersetzen. Vielleicht sollte man die fauligen Ansätze der BILD dazu nutzen, eine wirkliche Diskussion anzuschieben, denn Grenzen und Gründe sind nicht klar und schon gar nicht deutlich.

Der Kampf gegen das Imperium BILD ist einer gegen Windmühlen, einer den man argumentativ gewinnen kann und dennoch auf lange Sicht verliert, aber wenn man aus der Not zumindest eine Tugend machen kann, dann die, dass die Aktion „BILD ohne Bilder“ Gesprächsanlass bietet.

Darum der kleine Appell an dieser Stelle:

Auch wenn Ihr diesen Artikel vielleicht in der Hoffnung auf bestes BILD-Bashing geklickt habt – vergesst die Bild-Zeitung für den Rest des Tages, klickt nicht auf ihre Artikel, regt euch nicht darüber auf, sondern redet heute Abend mit Freunden in Bars vernünftig und kontrovers darüber, was Bilder dürfen und was nicht… und am besten ohne nur einmal dafür auf die gleichnamige Zeitung referieren zu müssen.

Anmerkung der Redaktion:

Obwohl die BILD heute morgen stolz ankündigte, auch auf ihrer Homepage heute keine Bilder zeigen zu wollen, sind diese seit heute Mittag online wieder zu sehen. Da war die Macht der selbigen wohl doch zu groß.

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